Warum jeder Rettungswagen einen entscheidenden Unterschied macht.

Von Sebastian Herrmann

An einem bitterkalten Dezembermorgen biegt ein Rettungswagen auf den Parkplatz hinter dem Bamberger Hauptzollamt. Endlich. Es ist kurz vor acht Uhr morgens, und der Tag kämpft noch mit der grauen Nachhut der Nacht. Rüdiger und ich stehen und frieren seit einer guten Viertelstunde hinter dem Behördenzweckbau mit Blick auf Industriegebäude. An diesem Tag im Dezember 2022 brechen wir zum ersten Mal gemeinsam in die Ukraine auf, um einen Krankenwagen zu bringen und zu übergeben.

Volodymyr sitzt am Steuer des Rettungswagens, den er nun mit Verve in einem fröhlichen Bogen über den Parkplatz fährt. Der Ukrainer hat offensichtlich Sinn dafür, Situationen zu inszenieren. Als er die Fahrertür öffnet, schallt Musik heraus. Es läuft „Applaus, Applaus“ von den Sportfreunden Stiller. Und das ist ja irgendwie klar, denn die Band hat den Wagen finanziert, den Bassist Rüdiger bei einem Händler in Hamburg gefunden und gekauft hat. Volodymyr hat den Rettungswagen von dort nach Bamberg gefahren, zusammen mit dem Verein Bamberg:UA mit Hilfsgütern beladen und die Zollpapiere fertig gemacht.

Volodymyr trägt eine Schiebermütze und ein verschmitztes Lächeln. Seine Liedwahl brach augenblicklich das Eis: großes Hallo, Lachen, Schulterklopfen, Gequatsche und Selfies. Volodymyr, seit vielen Jahren in Deutschland, Ostukrainer und bis zur Vollinvasion im Februar 2022 russischsprachig, erzählt davon, dass er helfe, wo es nur gehe – das sei nun seine Mission. „Wisst ihr“, sagte er dann mit besänftigend aufgerissenen Augen und nach oben gezogenen Schultern, „das verleiht einem schon Flügel, das Helfen, und das ist auch wichtig.“ Er sagte das mit einem Anflug von Schuldbewusstsein, weil man ja auch nicht aussprechen darf oder sollte, dass einem das Helfen schon ein recht gutes Gefühl geben kann.

Und dann sagte Volodymyr einen Satz, der Rüdiger und mich auf der ganzen Fahrt bis nach Lviv wie ein kleiner Schwips begleitete und auch heute noch nachwirkt, mehr als zwei Jahre später. „Wenn mit diesem Krankenwagen auch nur ein Leben gerettet wird“, sagte Volodymyr also direkt hinter dem Bamberger Hauptzollamt, „dann hat sich euer ganzes Leben gelohnt.“

Vielleicht waren diese Worte ein bisschen übertrieben, ein wenig zu groß und dramatisch. Aber gewiss ist, dass jeder Rettungswagen einen wesentlichen Unterschied macht. Dieser Krankenwagen, den Rüdiger und ich damals im Dezember 2022 nach Lviv gebracht haben, war fast 400 Tage lang im Einsatz, bevor das Fahrzeug in der Nähe von Bachmut verloren gegangen ist (zum Glück, ohne dass dabei jemand zu Schaden gekommen ist). Pro Tag wurden in diesem Rettungswagen im Schnitt fünf verletzte Menschen versorgt und transportiert.

Fünf Menschen pro Tag an insgesamt 400 Tagen – und deswegen geht es weiter. Deswegen machen wir weiter, wir machen weiter, solange es eben nötig ist. Wir machen weiter mit dem, was wir machen können. Denn jeder Krankenwagen rettet Leben und macht einen Unterschied, einen positiven Unterschied.

Vielen, vielen Dank an alle, die einen Beitrag dazu leisten und uns helfen, dass wir im kommenden Sommer mit dem Chainreaction Bikeconvoy for Ukraine weitere Rettungswagen in die Ukraine bringen können und damit helfen, Leben zu retten. Lasst auch ihr euch ein bisschen davon beschwipsen, was Volodymyr damals in Bamberg gesagt hat.